Themenspezial

Wir haben keine Wahl!

Warum Menschen von der Mitbestimmung in der Politik ausgeschlossen werden

In Deutschland leben über 80 Millionen Menschen, doch bei der Bundestagswahl dürfen nur 60 Millionen davon wählen. Eine ganze Menge an Menschen wird von der Wahl ausgeschlossen. Dazu gehören Kinder und Jugendlichen, die unter 18 Jahre alt sind, viele Menschen mit einer Behinderung oder Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben. Sie können nicht mitentscheiden, wie ihre Zukunft aussehen wird und das obwohl sie oftmals sehr viel Ahnung von Politik haben.

Dabei ist das Wahlrecht im Grundgesetz verankert und sollte demnach auch für alle Menschen in Deutschland gelten. Dass Menschen erst ab 18 Jahren wählen dürfen, ist eine relativ willkürlich gesetzte Grenze. Mit 12 Jahren dürfen Kinder Fortnite spielen, ab 14 Jahren ist man strafmündig, mit 16 dürfen Jugendliche sogar schon Bier und Wein trinken, aber erst mit 18 Jahren darf man auf Bundesebene wählen.

Einer politischen Mitbestimmung steht diese willkürliche Altersgrenze im Weg. Daher fordert die KjG schon seit vielen Jahren ein Wahlrecht ohne Altersgrenze! Kinder und Jugendlichen sollen dann wählen gehen dürfen, wenn sie dies wollen.

Wir setzen uns dafür ein, dass auch Kinder und Jugendliche selbst bestimmt Entscheidungen treffen dürfen. Sie sollen auch politische mitbestimmen dürfen, wenn es um ihre Themen, Anliegen und ihre Zukunft in der Gesellschaft geht. Dass sie hierzu sehr gut in der Lage sind, erleben wir in zahlreichen Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen, in die Kinder und Jugendliche in den Angeboten und Projekten der KjG eingebunden sind. Hier erfahren sie, dass sie ihre Meinung zählt und sie mit demokratischen Mitteln Einfluss auf die Themen haben, die sie konkret betreffen.

Aus unserer Sicht ist ein stellvertretendes Wahlrecht durch die Eltern daher keine Option, da jede*r die eigene, persönliche Stimme wahrnehmen sollte. Nur dann könnte sich die Meinung von Kindern und Jugendlichen unabhängig abbilden, so dass sie ins Gewicht fällt und ihre Themen und Anliegen berücksichtigt würden. Für uns steht das Grundrecht auf Wahl im Mittelpunkt, dass eben nicht übertragbar ist.

Häufig werden von Kritiker*innen die Bedenken geäußert, dass Kinder und Jugendliche wesentlich extremere Parteien wählen würden oder einfach nicht genug über das demokratische Wählen wissen, als dies bei Erwachsenen der Fall sei. Schaut man in die Ergebnisse der U18-Wahlen lässt sich jedoch nicht erkennen, dass junge Menschen zum Beispiel mehr extreme rechte oder linke Parteien bei ihrer Wahl bevorzugen. Vielmehr wird deutlich, dass die Ergebnisse auf die Zukunftsthemen, wie zum Beispiel den Klima- oder Tierschutz verweisen, die bei einzelnen Parteien im Vordergrund stehen und die jungen Menschen in der Mehrzahl besonders wichtig sind. Klar ist, dass die politische Bildung von Kindern und Jugendlichen noch mehr Unterstützung braucht – das erfahren und erlernen von demokratischen Entscheidungsprozessen sollte so früh und an so vielen Stellen wie möglich im Bildungsalltag vorkommen. Demokratielernen – also Mitdenken, Mitreden und Mitgestalten  – sollten überall dort vorkommen, wo junge Menschen zusammenkommen. Kita, Schule, Sportverein oder eben der Kinder- und Jugendverband könnten Orte sein, die junge Menschen für die Demokratie begeistern und sie spüren lassen, dass ihre Meinung und ihre Stimme tatsächlich Bedeutung hat.

Wer vom Grundrecht auf Wahl als Ankerpunkt denkt, kommt schnell zu dem Schluss, dass es in der Argumentation nicht zieht, junge Menschen und Erwachsene gegeneinander auszuspielen. Es gibt sowohl politikinteressierte Erwachsene wie auch Kinder und Jugendliche – und natürlich genauso Menschen auf beiden Seiten, die gar keinen Zugang zum Thema Wählen und politische Mitbestimmung finden. Gleiches gilt für Wählen extremer Parteien. Der demografische Wandel verschärft das Ungleichgewicht zwischen den Möglichkeiten Einfluss auf lebensbestimmende Themen zu nehmen – wesentlich mehr alte Menschen entscheiden über den Alltag und die Zukunft der jungen Menschen, was sich auch in der machtpolitischen Ausrichtung der Parteien und ihrer Wahlprogramme ausdrückt. Hier geht es häufig mehr um stabile Renten als um die massiven Benachteiligungen junger Menschen, die zum Beispiel durch Kinderarmmut entsteht. Würden Kinder und Jugendliche zur potentiellen Wähler*innengruppe der Parteien gehören, müssten die Politiker*innen wesentlich mehr Engagement ihre Themen und Anliegen stecken – was sicherlich ein enormer Gewinn für die Gesellschaft wäre. Alle machen mit, alle haben ein Recht auf konkrete Mitbestimmung!

Die Aktion „Ich habe keine Wahl“, die der KjG-Diözesanverband in den letzten Wochen, in Zusammenarbeit mit vielen KjGler*innen vor Ort durchgeführt hat, zeigte sich das große Interesse junger Menschen an politischer Mitbestimmung noch einmal besonders deutlich. Zahlreiche Statements von Kinder Jugendlichen sind so zusammengekommen. Hier geht es um den Klima- und Naturschutz, um mehr Ausruhmöglichkeiten in Schulen oder um Unzufriedenheit mit der Corona-Politik. Kinder und Jugendliche sind bereit sich intensiv in politische Entscheidungsprozesse einzubringen und das ist ganz ihr Recht. Punkt.

– Carolin Boot & Philipp Büscher

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