Schwerpunkt

Stalking

Unheimliche Schatten

Briefe, Anrufe, Nachrichten per Messenger. Schritte, Blicke und das Gefühl, nicht allein zu sein. Stalking hat viele Gesichter. Für den*die eine*n das beharrliche Streben nach einer Lichtgestalt – für eben diese ein unheimlicher Schatten im Nacken. Beunruhigend und angsteinflößend. Dr. Nahlah Saimeh ist forensische Psychiaterin und wird als Sachverständige bei Straftaten hinzugezogen. Ich spreche mit ihr über die Motive, was Stalking bei den Opfern auslöst und wie man sich gegen dieses Verhalten wehren kann.

Frau Saimeh, wie definieren Sie Stalking? Wo liegt beispielweise die Grenze zu aufdringlichem Verhalten?
Unter Stalking versteht man ein gewolltes, wiederholtes Verfolgen oder Belästigen einer Person. Diese Nach­stellung kann bei der Ziel­person zu psychischen als auch physischen Schäden führen. Kennzeichen ist, dass die Person dranbleibt, obwohl man klipp und klar mitgeteilt hat, keinen Kontakt zu wollen. Stalker*innen unternehmen alles mögliche, um doch Kontakt herzustellen oder die Aufmerksamkeit der Person zu erzwingen, z. B. durch wiederholte SMS, Telefonate, Mails, Briefe, Paketzustellungen, Beobachten, Verfolgen im öffentlichen Raum bis hin zum Eindringen in die eigene Wohnung gehen.

Mit Blick auf die Täter*innenseite – welche Motive gibt? Warum beginnen Menschen mit Stalking?
Es gibt verschiedene Ein­teilungen der Täter*innen. Eine gängige Unterscheidung basiert auf den unterschiedlichen Motiven: Wiederherstellen einer früheren Beziehung (Rejection), Wunsch nach Beziehung (Intimacy Seeking), mangelhafte soziale Kompetenz (Incompetence), Rache (Resentful Stalking) und sadistisch motiviertes Stalking (Predatory Stalking). Es geht um Macht und Kontrolle. Und dann gibt es noch das wahnhaft motivierte Stalking (Delusional Stalking), bei dem ein Liebeswahn besteht.

Können Sie aus Ihrem Arbeitsbereich Fallbeispiele von Stalking nennen?
Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem ein Mann im Rahmen seines Liebeswahns einer Frau in einer Apotheke nachstellte, zunächst jeden Tag eine Kleinigkeit kaufte, ihr dann Buchumschläge mit seltsamen Titeln mitbrachte, dann ihr Auto beschmierte, bei ihren Chorproben auftauchte und sie verfolgte. In einem anderen Fall kam ein Mann mit der Trennungssituation von seiner Frau und seinen Kindern nicht zurecht, stellte seiner Frau massiv nach, griff sie körperlich an, drang in ihre Wohnung ein und tötete sie schließlich an ihrem Arbeitsplatz.

Was kann Stalking bei den Opfern verursachen? 
Stalking ist ein schwerwiegendes schädigendes Verhalten. Sie können nirgendwo sicher sein, Stalker*innen durchdringen Ihr komplettes Leben. Die Folgen reichen von Angst, Schlafstörungen, Depressionen, völliger sozialer Isolation incl. Verlust der Partnerschaft bis zu Folgen massiver körperlicher An­griffe oder sogar Tötung.

Wie kann man sich gegen Stalking wehren? 
Es geht darum, einmal – und ich betone: einmal! – möglichst vor Zeug*innen klipp und klar und unmissverständlich zu sagen, dass man keinerlei Kontakte will und die Person jegliche Art des Kontaktversuches zu unterlassen hat. Kein hin und her. Das ist gerade bei Beziehungsproblemen wichtig, kein on-off. Und bei Fortsetzung der Nachstellung sofort zur Polizei gehen und sich anwaltlichen Beistand besorgen. Alle Nachstellungen müssen dokumentiert werden.

— Die Fragen stellte Sophie Duczek

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