SchwerpunktVorgestellt

Licht & Schatten

Depression – Ursachen und (neue) Therapien

Die Tage werden kürzer und die Nächte länger. Es wird eher dunkler als heller und das kann sich auch auf unseren Körper und unsere Stimmung auswirken. Wir werden vielleicht etwas müder, haben weniger Lust, etwas zu unternehmen und kuscheln uns am liebsten in einer Decke mit einem Tee und einem guten Buch auf dem Sofa ein. Bei manchen Menschen ist dieses Gefühl der Lustlosigkeit, der Hoffnungs­losigkeit allgegenwärtig. Und zwar nicht nur im Winter.

Volkskrankheit Depression
Ein paar Zahlen: Schaut man sich ein gesamtes Jahr an, dann sind innerhalb dieses Jahres ca. sechs Millionen Menschen an einer Depression – allein in Deutschland – erkrankt. Es ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. Um betroffenen Menschen Hilfe anbieten oder empfehlen zu können, ist ein genaueres Verständnis dieser Erkrankung – auch bei nicht betroffenen Menschen – wichtig.

Es gibt verschiedene Ansätze und Theorien wie eine Depression entstehen kann, wobei die genauen Mechanismen noch nicht endgültig geklärt sind. Eine Depression ist eine psychische Erkrankung, das heißt die Grundlagen der Entstehung spielen sich in unserem Gehirn ab, Symptome können aber den ganzen Körper betreffen. Eine mögliche Erklärung geht von einem Mangel von Neuro­transmittern in unserem Gehirn aus. Ein Neurotransmitter agiert dabei als eine Art kleiner Botschafter zwischen den Abermillionen Nervenzellen, aus denen sich unser Gehirn zusammensetzt. Dabei gibt es verschiedene Arten von Botschaftern, die wiederum in verschiedenen Regionen unserer Hirnwindungen unterschiedliche Reaktionen auslösen. Theorien gehen davon aus, dass das Fehlen oder die Verminderung von Monoaminen, zu denen die Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin gehören, ursächlich für eine Depression sein könnten. Vor allem Serotonin und Dopamin sind bekannt als eine Art Stimmungsmacher in unserem Kopf. Sind diese reduziert, kann es zu den typischen Symptomen einer Depression kommen: Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Traurigkeit. Unterstütz wird diese sogenannte Monoamin-Mangel-Hypothese durch die Therapie mit Antidepressiva. Diese Medikamente setzen genau bei den Nervenzellen in unserem Kopf an und versuchen die Anzahl der kleinen Botschafter zu erhöhen. Das kann bei einigen Patient*innen gut funktionieren. Neben der neurobiologischen Theorie gibt es natürlich noch weitere Faktoren, die zur Entstehung einer Depression beitragen können. Dazu gehören z. B. ein andauernder Schlafmangel oder das Gefühl, dass man Situationen nicht mehr selber kontrollieren kann. Man nur noch reagiert statt agiert.

Um eine Depression angemessen behandeln zu können, ist es sehr wichtig, ihre Ursache zu verstehen. Zunächst ist eine therapeu­ti­sche Behandlung, also regelmäßige Gespräche mit einer*m Psycholog*in, schon sehr hilfreich und kann auch ausreichend sein. Zusätzlich kann auch eine Therapie mit den schon erwähnten antidepressiven Medikamenten eingesetzt werden. Das ist immer individuell zu entscheiden und abhängig vom Schweregrad der Depression. Vielen Menschen kann dadurch geholfen werden, die Krankheit zu über­winden, dennoch gibt es Menschen, die ihr Leben lang damit zu kämpfen haben. Sie haben alle möglichen Medikamente eingenommen, verschieden Arten der psychologischen Therapie erfahren und auch Thera­pieansätze wie Schlafentzug oder eine Elektrokonvulsionstherapie versucht – jedoch alles ohne oder nur mit mäßigem Erfolg.

Kommen wir nun zu neuen, mögliche Therapieansätzen. Davor möchte ich betonen, dass diese Therapien nur in Studien angewandt werden. Voraussetzung für eine Teilnahme an den Studien ist eine mit bisherigen Methoden nicht therapierbare Depression.

Neueste Ansätze zur Therapie von Menschen mit einer Depression, die durch bisherige Therapiemöglichkeiten nicht verbessert werden konnte, sind psychedelisch wirkende Stoffe. Psychedelisch wirkend bedeutet hierbei, dass sich bei Einnahme dieser Substanzen das Bewusstsein und die Wahrnehmung verändern kann. Diesen Zustand kann man auch als halluzinogen bezeichnen. Hört sich jetzt erstmal so an, als ob sowas absolut nicht in die Medizin gehört. Substanzen mit solcher Wirksamkeit sind in Deutschland nämlich verboten. Dazu zählt auch die Substanz Psilocybin. Dennoch zeigen eben diese ausgeführten Studien kleine Erfolge in der Behandlung. Aber was ist eigentlich jetzt dieses Psilocybin und warum kann es helfen? Psilocybin ist ein Wirkstoff, der in den sogenannten Magic Mushrooms vorkommt, einer Gruppe aus verschiedenen Pilzen. Einmal eingenommen wird Psilocybin in unserem Körper weiterverarbeitet und die Substanz Psilocin entsteht. Die wiederum setzt nun in unserem Gehirn an den Andockstellen für den Botschafter Serotonin an. Das kann verschiede Reaktionen in unserem Körper auslösen, die bekanntesten sind wohl die Halluzinationen und eine verstärkte Farbwahrnehmung. Halluzination bedeutet, dass man verschiedenste Sinneseindrücke wahrnehmen kann, die gar nicht existieren. Man kann z. B. Figuren erkennen oder Gesänge hören und gleichzeitig etwas Leckeres riechen. Wenn man zu viel einnimmt, kann der Körper aber auch mit Übelkeit, Durchfall und Erbrechen reagieren. Neben den halluzinogenen Wirkungen kommt es auch oft zu einer sogenannten Anxiolyse, das heißt, dass sich Ängste mildern. Zu einer in dem Fall psychischen Abhängigkeit kommt es so gut wie nie, anders als u.a. bei regelmäßigem Cannabis-Konsum. Fasst man die Wirkungen zusammen, ist das entscheidende Merkmal von Psilocybin die Bewusstseinserweiterung. Genau dieser Effekt wirkt positiv auf die therapieresistente Depression. Man bekommt quasi die Möglichkeit, Gedanken und Erfahrungen ganz neu zu verknüpfen und es wird auch berichtet, dass der Zugang zu den eigenen Gefühlen nochmal intensiver wird und sich ebenfalls verändern kann. Durch diese Umstrukturierung kommt es zu einem antidepressiven Effekt, der bis zu sechs Monaten anhalten kann. Momentan wird dieser Effekt in Studien untersucht, vor allem im Hinblick auf eine mögliche neue Therapie für schwere Depressionen. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik. Durch Studien überall auf der Welt zu diesem Thema kommt es vielleicht bald zu einem weiteren Baustein in der Therapie einer Depression.

Bei all dem Forschungseifer muss jedoch erwähnt werden, dass Psilocybin immer nur in therapeutischer Begleitung eingenommen wird und nur durch die gleichzeitige ärztliche Betreuung eine antidepressive Wirkung entfaltet werden kann. Alleine sollte man das nicht versuchen.

Nach diesem tiefen Eintauchen in Therapieansätze nun nochmal als Erinnerung und Bitte: Eine Depression ist eine reale und auch gefährliche Erkrankung. Zuallererst ist das Erkennen wichtig und dass man sich Hilfe sucht oder auch suchen lässt. Auch wenn ihr selbst nicht betroffen seid und die Krankheit so weit weg scheint, seid bitte achtsam und schaut, ob nicht jemand bei euch im Umkreis gerade mit dunkleren Schatten zu kämpfen hat.

— Selma Grüneberg

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