Themenspezial

Prinzessinnenjungs

Von Jungsfarben und Jungsspielzeug: Über Rollenklischees, „richtige Männer“ und was jede*r tun kann, um Geschlechterfallen zu umgehen – darüber spreche ich mit Nils Pickert.

Nils Pickert ist Journalist und Autor, schreibt für pinkstinks und hat 2020 das Buch Prinzessinnenjungs. Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien veröffentlicht.

Sie schreiben in Ihrem Buch über Prinzessinnenjungs. Was bzw. wen genau meinen Sie damit und worin besteht die Problematik?

Mit dem Begriff „Prinzessinnenjungen“ bezeichne ich Jungen, die bis zu einem gewissen Grad Lust an Verschönerung haben, Trost brauchen, Nähe suchen, weich sind und zärtlich. Also eigentlich alle Jungen. Seit einigen Jahren wird zwar das Augenmerk darauf gerichtet, dass es Jungen in unserer Gesellschaft zunehmend schwer haben, aber man zieht oftmals die falschen Schlüsse daraus. Dann heißt es, die Gesellschaft müsste wieder härter werden, damit Jungen sich wieder darin aufgehoben fühlen. Dann gibt man Frauen dafür die Schuld, dass sie in Bildungseinrichtungen angeblich die Jungen „verweiblichen“. Das Gegenteil ist der Fall: Wir müssen uns nicht hart machen, sondern uns aufweichen und Jungen endlich zugestehen, dass sie auch zart sein dürfen. Nicht müssen, wohlgemerkt. Aber dürfen.

Der Druck für Jungs schon als Kind/Jugendlicher ein „richtiger Mann“ zu sein, scheint/ist sehr hoch. Welche Probleme ergeben sich daraus für ihre Entwicklung?

Die Vorgaben dafür, was ein „richtiger Mann“ ist, sind widersprüchlich, übergriffig und verletzend. Männlich ist, was Jungen und Männer tun. Männlichkeit existiert nicht außerhalb von ihnen, sie ist kein Qualifikationsmerkmal, dem sie gerecht werden müssen, indem sie beispielsweise raufen, fluchen oder Homosexuelle abwerten. Diese Dinge haben kein Geschlecht. Genauso wenig wie streicheln, flüstern und freundlich sein. Wir tendieren leider immer noch zu sehr dazu, Jungen zu sagen, sie seien ein Problem, wenn sie Verhaltensweisen zeigen, die wir als klassischerweise weiblich verorten. Dabei sind die Jungen nicht das Problem, sondern wir.

Als Jugendverband wollen wir Kindern und Jugendlichen Erfahrungsräume/Freiräume zur Verfügung stellen. Unsere Leiter*innen können natürlich nicht gleichermaßen wie Eltern die Erziehung gestalten ,aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten dennoch vieles bewirken. Welche Tipps haben Sie? Was möchten Sie ihnen mitgeben?

Geben Sie Dingen, Vorlieben und Verhaltensweisen kein Geschlecht. Lassen Sie das Geschlecht einfach dort, wo es hingehört. Gehen Sie mit sich nicht zu hart ins Gericht, weil Sie Vorurteile haben – die haben wir alle und die brauchen wir auch alle, weil wir permanent schnelle Entscheidungen ohne ausreichende Hintergrundinformationen treffen müssen. Aber machen Sie Ihre Vorurteile so antastbar wie möglich. Fragen Sie nicht nach „vier starken Jungen“, die Ihnen mal beim Tragen helfen sollen. Beauftragen Sie Mädchen nicht offen oder verdeckt damit, für das Wohlergehen und die Stimmung der Gruppe verantwortlich zu sein. Bewerten Sie keine Verhaltensweisen, die niemandem schaden. Schauen Sie sich einfach an, wer da auf sie zukommt, und etablieren Sie eine gute, wertschätzende Beziehung. Die ist die Basis für alles andere und auch die hat kein Geschlecht.

-die Fragen stellte Ramona Krämer

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