Zwei Fragen halte ich für entscheidend, wenn es um Bezahlung geht.
Was verdienst du? Diese Frage ist ganz leicht zu beantworten. Du verdienst einen fairen Lohn für deine Arbeit und zwar völlig unabhängig von deinem Geschlecht
Wie viel verdienst du? Diese Frage löst bei machen eventuell schon ein leichtes Unwohlsein aus, denn Geld gilt in Deutschland eher als Tabuthema. Nicht umsonst heißt eine bekannte Redewendung „Über Geld spricht man nicht, man hat es“. Heute, am Equal Pay Day, müssen wir aber genau darüber sprechen.
Die Differenz des Bruttoeinkommens zwischen Männern und Frauen liegt in Deutschland derzeit bei 19 % und ist seit Jahren relativ unverändert. Diese Lohnlücke bestimmt jährlich den Termin des Equal Pay Days. Das Datum weist auf den Tag hin, an dem Männer erst anfangen müssten für dieses Jahr zu arbeiten, um das gleiche Gehalt zu bekommen, für das Frauen schon seit Jahresbeginn schuften. Diese geschlechtsspezifische Lohnlücke – der Gender Pay Gap – ist durch viele Faktoren bedingt. Teilweise lässt sie sich auf strukturelle Unterschiede zurückführen. Frauen arbeiten seltener in Führungspositionen, dafür häufiger in Teilzeit und sind oft in Berufen tätig, die schlechter bezahlt werden. Aber auch wenn man diese Faktoren herausrechnet, bleibt noch eine Lohnlücke von 6 %, der sogenannte „bereinigte Gender Pay Gap“. Eine Frau erhält für vergleichbare Arbeit (gleiche Branche, gleiche Position, gleicher Stellenumfang) im Durchschnitt 6 % weniger Gehalt. Wodurch dieser Unterschied entsteht ist nicht klar benennbar. Man kann dazu lediglich Vermutungen anstellen und dafür auf vorherrschende Geschlechterrollen zurückgreifen.
Ich weiß nicht von all meinen Kolleg*innen genau, was sie verdienen. Ich könnte es allerdings nachschauen und ich weiß, dass der Lohn unabhängig vom Geschlecht ist. Das liegt daran, dass wir uns bei der KjG an einem Tarifvertrag orientieren. Mit Tarifverträgen wird klar geregelt, in welcher Position man welches Gehalt bekommt und meistens ist eine stufenweise Erhöhung mit steigenden Berufsjahren vorgesehen. Für faire Löhne sind Tarifverträge ein hilfreiches Werkzeug und sie kommen denen zu Gute, die eher zurückhaltend sind und weniger fordern. Ich bin der festen Überzeugung, dass Gehaltsverhandlungen einen großen Einfluss auf die verbleibenden 6 % ausüben. Dass das Verdienstgefälle im öffentlichen Dienst, wo häufig Tarifverträge im Spiel sind, sehr viel geringer ausfällt, als in der Privatwirtschaft, ist für mich ein deutliches Zeichen. Wie solche Gehaltsverhandlungen geführt werden, kann von der geschlechtsspezifischen Sozialisation beeinflusst wurden. Anerzogene Rollenbilder und klischeebeladene Verhaltensmuster vom zurückhaltenden Mädchen und selbstbewussten, starken Jungen, haben Auswirkungen auf das ganze Leben und können sich in solchen Situationen besonders zeigen.
Viel gravierender finde ich jedoch die 19 % Gesamtunterschied und viel ärgerlicher ist doch, dass die Gründe dafür sogar bekannt sind und sich dennoch nichts daran ändert. Warum sind es gerade die typischen „Frauenberufe“, beispielsweise in der Pflege oder der Sozialarbeit, die verhältnismäßig schlecht bezahlt werden, obwohl sie doch einen so wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten? Sind wir nicht weit über die Zeit hinaus, in der der Mann Alleinverdiener ist und Frauen mit sozialen Berufen nur die Zeit bis zur Heirat überbrücken? Eigentlich schon! Vielleicht aber auch nicht.
„Ein Kind ändert alles!“
So sagt man. Korrekterweise müsste man jedoch ergänzen: „wenn du eine Frau bist“. Natürlich ändern sich auch Dinge für Männer, wenn sie Väter werden. Worauf sich dies allerdings kaum auswirkt, ist ihr Berufsleben. Sobald ein Kind da ist, muss jemand beruflich zurückstecken. Dass dabei eine wirtschaftliche Entscheidung getroffen wird und die Person mit dem geringeren Einkommen Stunden reduziert oder länger Elternzeit nimmt, ist nur logisch. Dass diese Person (innerhalb einer heterosexuellen Beziehung) jedoch meistens die Frau ist, macht die existierende Lohnlücke deutlich.
Mit der Geburt des ersten Kindes bekommt die Einkommenskurve von Frauen einen heftigen Knick und erholt sich davon auch nicht mehr. Je länger sie dann Teilzeit arbeiten oder sogar ganz pausieren, desto schwieriger wird es, an den vorherigen Karrierestand anzuknüpfen und aufzusteigen. Durch diese Zeit erhalten Frauen gegenüber männlichen Mitbewerbern einen dauerhaften Nachteil und die Lohnlücke wächst weiter. Um diesen Zustand vermeintlich in etwas Positives zu verwandeln, tut dann das Ehegattensplitting noch sein Übriges dazu. Paare profitieren nur dann steuerlich, wenn eine Person nichts oder deutlich weniger verdient. Mit dieser staatlichen Maßnahme wird ein System des Mannes als Hauptverdiener manifestiert.
Natürlich geht es hier um persönliche Entscheidungen. Die Entscheidung überhaupt Nachwuchs zu bekommen, die Entscheidung für den Nachwuchs zu Hause zu bleiben und die Entscheidung der beiden Partner*innen wer beruflich zurücksteckt. Sicherlich gibt es Frauen, die diese Entscheidung ganz freiwillig und bewusst treffen, weil es ihr favorisiertes Lebensmodell ist. Wenn die Beziehung hält und man somit abgesichert ist, man gemeinsam von Vorteilen profitiert und beide mit der Aufteilung glücklich sind – go for it! Wenn die Entscheidungen aber durch wirtschaftliche Gründe bestimmt oder durch gesellschaftliche Zwänge herbeigeführt werden (schließlich wird von Frauen erwartet, dass sie Mutter werden und sich um die Kinder kümmern wollen), ist das unfair und problematisch.
Über all das müssen wir offen und ehrlich sprechen, damit Geld kein Tabuthema bleibt und Gleichberechtigung Realität werden kann. Nur durch einen transparenten Umgang ist die Vergleichbarkeit von Löhnen möglich. Nur wenn ich weiß, was andere verdienen, kann ich denselben Lohn einfordern. Die Frage nach dem eigenen Verdienst ehrlich zu beantworten, wird uns nicht schaden, kann anderen aber helfen. Dass faire Bezahlung keine Glückssache bleibt, haben wir also auch selbst mit in der Hand.
Zum Abschluss mache ich einfach mal den Anfang: 3.970 € brutto.
-Ramona Krämer