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Wie privilegiert bin ich eigentlich?

Wie privilegiert bin ich eigentlich?

In den letzten Monaten ging es in den Medien viel um Privilegien – Privilegien für Geimpfte, Genese oder bestimmte Berufsgruppen. Manchmal undifferenziert benutzt, oft emotional diskutiert. Aber was bedeutet das Wort Privileg eigentlich und wie privilegiert bin ich?

Das Wort Privileg stammt vom lateinischen Begriff privilegium ab, was übersetzt Ausnahmegesetz oder Vorrecht heißt.
Ein*e Einzelne*r oder eine Gruppe hat also ein Sonderrecht oder einen Vorteil gegenüber anderen Personen oder Gruppen. Das heißt, die andere Gruppe, die diese Privilegien nicht genießen kann, wird dadurch benachteiligt. Sie kann die Vorteile nicht in Anspruch nehmen. Privilegierungen erzeugen immer Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen und ein soziales Ungleichgewicht. Es gibt Ausgangsprivilegien, dazu gehören Eigenschaften wie die Hautfarbe, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung. Aber auch die Muttersprache, der Namen und der Gesundheitsstand können zum Privileg werden. Als weiße Person ist es ein Privileg, keinen Rassismus zu erfahren. Als heterosexuelle Person ist es ein Privileg, sich nicht für seine sexuelle Orientierung outen und erklären zu müssen. Menschen ohne Behinderungen haben einen einfacheren Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe und es gibt wissenschaftliche Studien, dass der eigene Name ein Türöffner sein kann – oder eben nicht.


Privilegien können im Laufe des Lebens dazu gewonnen werden, zum Beispiel durch Bildung, Geld und Status.

Auch der Wohnort und die Gegend können den Menschen privilegieren. Wenn wir über Privilegien besprechen, müssen wir uns ihre Komplexität klarmachen. Es ist möglich gleichzeitig privilegiert und benachteiligt zu sein. Männer sind in unseren patriarchalen Gesellschaftsstrukturen erstmal privilegiert: bessere Bezahlung, mehr Status und weniger Angst vor sexualisierter Gewalt. Aber es gibt hier auch Unterschiede: weiße Männer und Men of Color, arme und reiche Männer, trans Männer, Familienväter und allein­erziehende Männer, obdachlose Männer und Businessmänner.

Viele Privilegien können nicht einfach so verdient werden, denn sie sind Teil der persönlichen Lebensgeschichte. Dadurch erscheinen sie für diejenigen, die sie ge­nießen, oft selbstverständlich. Wir sind uns dieser Privilegien nicht bewusst, denn für uns ist es der Normalzustand.

Wir sollten uns bewusstmachen, dass Privilegien existieren und sie sichtbar
machen. Und wir müssen anerkennen, dass es für manche Personengruppen
einfacher und für andere schwerer ist, dasselbe Ziel zu erreichen.

— Carolin Boot


Carolin Boot checkt ihre Privilegien!
Welche sind Deine?

Herkunft: privilegiert
Dass ich als Deutsche in Deutschland lebe, ist ein ziemlich krasses Privileg. Ich habe nie Krieg erlebt und musste nie Angst vor Gewalt haben, wenn ich das Haus verlassen habe. Ich musste nie hungern. Ich habe alle Möglichkeiten, mich über politische Themen zu informieren, meine Meinung zu äußern und mir Wissen anzueignen. Wenn ich etwas trinken will, muss ich nur den Wasserhahn aufdrehen und nicht kilometerweit zum nächsten Trinkbrunnen laufen. Wenn ich krank bin, kann ich zum Arzt gehen und muss mir keine Sorgen machen, den Arzt nicht bezahlen zu können.

Hautfarbe: privilegiert
Ich bin weiß und gehöre damit zur Mehrheit hier in Deutschland. Damit bin ich extrem privilegiert. Wenn ich den Fernseher anmache oder Magazine durchblättere, sehe ich vor allem Menschen meiner Hautfarbe. Ich weiß, ich gehöre dazu. Mich fragt niemand als erstes, wo ich herkomme. Ich werde in Polizeikontrollen nicht häufiger herausgezogen.

Aussehen: privilegiert
Ich bin und war schon immer eher schlank. Ich habe keine Probleme, Kleidung zu finden, die mir passt. Niemand hat mir je unterstellt, dass ich ungesund esse, ohne zu wissen, was ich eigentlich esse. Niemand hat mir je ungefragt irgendwelche Diäten vorgeschlagen. Ich kann in der Öffentlichkeit essen, was ich will, ohne dass das jemand kommentiert. Auch damit bin ich privilegiert.

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