Schwerpunkt

Über das Lichterfest Chanukka

»Wir alle tragen ein Licht in uns und können das Licht in anderen mit guten Taten entzünden!«

 

Ich bin Wladi, 32 Jahre alt, habe einen Master in Wirtschaftsmathematik und bin Software- Projektleiter bei der Deutschen Telekom in der Konzernzentrale in Bonn. Ehrenamtlich bin ich Co-Leiter des Jugendzentrums Jachad der Kölner Synagogen-Gemeinde, auch im jüdischen Studentenleben engagiert und leite den Branch der Studentenorganisation Morasha in Köln. Ich begleite jährlich auch junge jüdische Erwachsene auf einer unglaublichen Reise nach Israel mit der Organisation Taglit als Gruppenleiter.

Die jüdische Gemeinde und die Zukunft der Kinder, Jugendlichen und Student*innen liegt mir sehr am Herzen, besonders setze ich mich dafür ein, dass junge, jüdische Menschen stolz auf ihre Religion sein können und sich für eine Gesellschaft in Deutschland einsetzen mit mehr Zivilcourage und Respekt zueinander.


Es gibt viele religiöse Bedeutungen von Chanukka und jede*r hat einen eigenen Aspekt, welchen er*sie am wichtigsten oder schönsten findet. Die Geschichte ist kurz erzählt: Die Übermacht der Griechen hatte Israel in ihrer Hand und eine kleine Gruppe stolzer Juden, die Makkabäer, schaffte es, sich zu widersetzen und den heiligen Tempel in Jerusalem zurückzuerobern und den entweihten Tempel wieder zu weihen. Dies ist auch in den Geschichtsbüchern so bestätigt. Das alleine war ein Wunder an sich, doch ereignete sich ein weiteres Wunder: Das Öl, welches nötig war, um die Menora im Tempel zu entzünden, war beinahe ausgegangen und man brauchte acht Tage, um neues Öl herzustellen. Doch wie durch ein Wunder reichte das wenige Öl für ganze acht Tage und so glaubten die Menschen, dass G’tt auf ihrer Seite war. Diese Geschichte wird in der Chanukkia abgebildet: Die acht Arme stehen für die acht Tage von Chanukka und der neunte Arm ist die Helferkerze (Schammasch). Jede Kerze steht dabei für die acht Tage des Chanukka Lichtwunders.

Aus dieser Geschichte kann man einiges lernen: Die Schammasch-Kerze, die Helfer-Kerze, symbolisiert jede*n von uns. Wir alle tragen ein Licht in uns und können das Licht in anderen mit guten Taten entzünden. Deswegen stellt man die Chanukkia auch immer ins Fenster, damit alle sie sehen können und davon inspiriert werden.

Des Weiteren könnte man sich fragen, warum wir acht Kerzen zünden und nicht Sieben, da ja eigentlich genügend Öl für einen Tag da war und nur die sieben Tage das eigentliche Wunder sind, an denen das Öl nicht ausging. Doch genau das sagt uns, dass es auf der Welt zwar viele Wunder gibt, doch auch das Gewöhnliche uns nicht gewöhnlich erscheinen soll, sondern alles, was wir sehen und für ganz normal halten – all das ist auch ein Wunder und wir sollten dafür dankbar sein!

Im Judentum geht es sehr viel um Weitergabe von Wissen von der einen Generation zur Nächsten und diese Bildung ist zentraler Aspekt unserer Kultur. So hat es sich auch etabliert an Chanukka bestimmte Leckereien zu essen. Es gibt z.B. Latkes (Reibekuchen) und Sufganijot (Berliner), weil sie sehr ölig sind und an das Chanukka Wunder erinnern sollen. Auch wird ein Kinderspiel sehr gern gespielt. Dabei wird ein Dreidel (Kreisel) mit vier Seiten gedreht und es wird um Schokomünzen gespielt. Auf den Seiten ist jeweils ein Buchstabe, der jeweils die Anfangsbuchstaben des Satzes bildet: »Ein Wunder geschah dort.« (außerhalb Israels) »Ein Wunder geschah hier.« (innerhalb Israels).

Chanukka ist ein sehr familiäres Fest und die acht Tage lang zündet man jeden Abend eine neue Kerze an, singt gemeinsam Lieder und es wird viel gegessen. Es kommen alle zusammen und es ist eine sehr schöne Zeit. Eine eigenständige Tradition, dass Jugendliche sich unter sich treffen, gibt es eigentlich nicht, aber oft feiern mehrere Familien zusammen und die großen Runden machen das Fest aus. Am liebsten jedoch mag ich das Fest mit den Kindern im Jugendzentrum der Gemeinde und bei der Gemeindefeier, bei denen man auch alle Freund*innen wiedersieht und es ein schönes gemeinschaftliches Gebet gibt. Das gemeinschaft­liche Singen ist immer ein Gänsehaut­moment.

Ursprünglich gab es an diesem Fest keine Geschenke, sondern die Kinder haben etwas Geld bekommen, das sie jedoch nicht behalten sollten, sondern an ihre Lehrer*innen weiterschenkten, um ihnen zu danken, dass sie so viel von ihnen lernen durften. Zur Erinnerung an diese Zeit werden heute den Kindern die Schokomünzen geschenkt, mit denen sie das Dreidel Spiel spielen. Doch in den letzten Jahrzenten, vorwiegend aus den USA kommend, werden an Chanukka auch immer mehr Geschenke an die Kinder verteilt, weil die Kinder in einer Gesellschaft aufwachsen, in der um sie herum an Weihnachten Geschenke verteilt werden. Doch meiner Meinung nach ist es nicht so kommerzialisiert, besonders hier in Deutschland und in Israel sind Geschenke eher nicht üblich oder sogar nebensächlich und ich hoffe es bleibt auch so. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auf der Skala zwischen Religiosität und Tradition eine weite Spannbreite und jede jüdische Familie hat ihre eigene Art Chanukka zu feiern. Doch sind bei diesem Fest Tradition und Glaube so sehr verwoben, weil wir uns an eine Geschichte erinnern und wir gleichzeitig an die Chanukka Wunder glauben und der Welt Licht schenken wollen.

Der letzte Gedanke über Chanukka, den ich gerne teilen würde, bezieht sich auf die Chanukkia selbst. Die Form ist nicht einfach so gewählt, denn sie symbolisiert alle Völker der Welt mit ihren verschiedenen Aufgaben. Dies ist durch die unterschiedliche Länge der Arme dargestellt – dennoch sind alle auf einer Höhe und gleichberechtigt. Diesen Gedanken mag ich sehr. Chanukka ist für alle Völker auf der Welt und das Lichterfest soll allen Frieden und Glückseligkeit in den großen und kleinen Dingen der Welt bringen.

In diesem Sinne allen besinnliche Festtage, Wladi

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