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KjG – ein Privileg?

Ist die KjG ein Verband Privilegierter? Sind nur privilegierte Personen Mitglied in der KjG? Ist es ein Privileg in der KjG zu sein? Ist außerschulische Bildung zu genießen und realisieren zu dürfen ein Privileg oder ein Grundrecht? Diese Fragen beschäftigen mich jetzt schon seit einigen Tagen und ich will versuchen in diesem Artikel Antworten darauf zu finden. Spontan würde ich sagen: Ja, nein, ja, Privileg. Wie komme ich darauf?

Ist die KjG ein Verband Privilegierter?
Wenn ich mich so auf Diözesanebene umsehe, dann sind wir uns schon alle ziemlich ähnlich, zumindest auf den ersten und zweiten Blick. Ich sehe eine Gruppe von Menschen, die in der Regel Recht gutsituiert daherkommt, die gebildet ist, die in Deutschland geboren und deren Muttersprache deutsch ist, deren Hauptfarbe zum größten Teil weiß ist, die eine Schulbildung genießen und erfolgreich abschließen konnte. Menschen, die ihren Weg gehen.

In der Ausbildung, im Studium, im Job. Junge Leute, die Teil von Familien sind, in denen sich um ihr Wohlergehen gesorgt wird, die Freund*innen haben, mit denen sie tolle Dinge erleben, die Anerkennung erfahren und Erfolge verbuchen können. Menschen, die gesund sind, die wenig Einschränkungen haben, die recht sorgenfrei an KjG-Veranstaltungen teilnehmen und dort gestalten, diskutieren, lachen und bis in die tiefe Nacht feiern können. Das klingt nach einem ziemlich privilegierten Leben
für mich.

Sind nur privilegierte Personen in der KjG?
Nein, mit Sicherheit nicht. Gerade in den Ortsgruppen in unseren Pfarreien und Regionen, wo viele Kinder und Jugendliche Mitglieder in der KjG sind, erreichen wir mit unseren Angeboten auch weniger privilegierte Menschen. Auf die nicht all das zutrifft, was ich oben beschreibe. Und natürlich sind wir auch auf Diözesanebene nicht alle gleich und auch nicht gleich privilegiert. Es gibt viele Dinge, die ich nicht sehen kann und auch wegen meiner eigenen „Brille“ nie sehen werde. Es wird KjGler*innen unter uns geben, die in finanziellen Nöten sind, die krank sind, die aus verschiedensten Gründen diskriminiert werden, die Verluste zu verkraften oder schwierige Familien­verhältnisse auszuhalten haben.

Ist es ein Privileg in der KjG zu sein?
Für mich: ein klares Ja. Wenn ich überlege, was mir die Mitgliedschaft in der KjG alles geboten hat, wie sehr sie zu meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung beigetragen hat, dann empfinde ich das als riesiges Privileg. Ich durfte mich ab einem sehr jungen Alter ausprobieren, Talente entdecken, selbst Verantwortung übernehmen, kreativ sein, gestalten, Unsinn machen, mich als Teil eines Teams und als Leitung erfahren, Krisen bewältigen, demokratische Prozesse von der Pieke auf erlernen. Wer hat schon so ein Glück? Und wer hat es vielleicht auch nicht? Junge Menschen, die neben Schule oder Ausbildung arbeiten gehen müssen, um sich ein Taschengeld zu verdienen oder sogar die Familie zu unterstützen und ihre Zeit nicht in ehrenamtliches Engagement investieren können. Leute, die aus Angst vor Ablehnung nicht gut in Gruppensituationen klarkommen. Personen, die vielleicht zu krank oder zu eingeschränkt sind, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Menschen, die von der Kirche diskriminiert werden und deshalb gar nicht auf die Idee kommen, sich in einem katholischen Jugendverband engagieren zu wollen.

Sollte ein solches Erleben und Teilhaben an außerschulischer Bildung (im Jugendverband) ein Privileg sein? Nein, natürlich nicht. Das MUSS ein Grundrecht sein. Alle Kinder und Jugendlichen sollten außerhalb der Schule in geschützten Räumen Erfahrungen machen können, die ihnen die Möglichkeit bieten, als Menschen zu wachsen, sich selbst kennenzulernen, sich als Gestaltende zu erleben und Verantwortung zu übernehmen. Dafür ist es aber unerlässlich, dass Kinder in persönlicher und finanzieller Sicherheit aufwachsen, dass sie von Politik ernstgenommen und ins Zentrum der gesellschaftlichen Verantwortung gerückt werden, dass Schule nicht der einzige Ort der Bildung im Leben von Heranwachsenden ist. Solange es so viele (zu viele!) Kinder und Jugendliche gibt, deren Möglichkeiten zur freien Entwicklung so beschnitten sind, ist es ein Privileg, KjGler*in zu sein.

— Lena Bloemacher

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