Ein Brot, in das eine Münze eingebacken ist, ein Abend im Kreis der Familie und eine Einladung an Jesus Christus – das sind die vielleicht wichtigsten Bestandteile des mazedonisch-orthodoxen Weihnachtsfestes.
Von diesem berichtet mir Vera (34). Sie lebt heute mit ihrem Mann und ihren beiden Kleinkindern in Düsseldorf. Als sie selber Kind war, zog ihre Mutter mit ihr und ihrem Bruder aus Strumica, einer Stadt im Osten des Landes nahe der Grenze zu Griechenland, nach Deutschland. Sie hat so beide Traditionen des Festes kennengelernt.
Die mazedonisch-orthodoxe Kirche ist eine von mehreren orthodoxen Kirchen, die vor allem im osteuropäischen und südosteuropäischen Raum verbreitet sind. Sie ähneln als christliche Kirchen dem katholischen Glauben in vielen Punkten, aber stehen in anderer kultureller Tradition, sodass sich auch rund um das Fest zur Feier der Geburt von Jesus Christus Unterschiede ergeben.
»Am auffälligsten ist erst einmal, dass das mazedonisch-orthodoxe Weihnachten an einem anderen Termin stattfindet«, erklärt Vera. Ebenso wie einige andere orthodoxe Kirchen verwendet die Mazedonische den Julianischen Kalender, während in Europa der Gregorianische Kalender gängig ist. Das Weihnachtsfest fällt dort also anstatt auf den 25. Dezember auf den 6. Januar, Silvester wird am 13. Januar gefeiert.
»Es gibt an diesem Abend das traditionelle Essen: Fisch, Rotwein und selbstgebackenes Brot.«
Als Pendant zum deutschen Heiligabend wird in mazedonisch-orthodoxer Tradition nur mit dem Kern der Familie gefeiert. Mit den weiteren Verwandten trifft man sich erst an den folgenden Tagen. »Es gibt an diesem Abend das traditionelle Essen: Fisch, Rotwein und selbstgebackenes Brot«, erzählt Vera. Das Besondere am Brot ist, dass dort eine Münze eingebacken ist. Wer in seinem Stück Brot diese Münze findet, der*dem soll im darauffolgenden Jahr besonders viel Gesundheit und Glück widerfahren. An diesem Brot hängt noch eine weitere Tradition: »Die Kinder des Hauses gehen mit dem Brot zur Haustür und laden Jesus Christus zum Essen ein. Sie sprechen ein Gebet auf, kommen zurück und danach wird das Brot geteilt.«
Der vielleicht augenscheinlichste Unterschied ist aber, dass es an Weihnachten in Nordmazedonien keine Geschenke gibt. Ohne den Geschenkgedanken ist z. B. die Vorweihnachtszeit in Mazedonien viel weniger von Konsum und Vorbereitung geprägt. »Die Atmosphäre ist damit an Weihnachten auch eine ganz andere, es ist eher familiär-feierlich.« Vera benutzt dabei auch die Begriffe »gesittet« und »ruhig« zur Beschreibung der Weihnachtsstimmung und setzt sie dem „»lebendigen« Auspacken der Geschenke entgegen – ohne eine Wertung in diese beiden Arten von Feier zu bringen. »Ich mag es, anderen mit Geschenken eine Freude zu machen, denke aber auch gerne an den Ablauf des Weihnachtsfestes in Strumica zurück.« Gerade die Erinnerungen an die Feste in der Kindheit stärken ihre Verbindung mit der mazedonisch-orthodoxen Tradition.
Ob katholisch oder orthodox – Vera findet, dass die Weihnachtsstimmung generell immer toll ist und das Zusammensein mit der Familie der schönste Teil des Festes ist. Mit einer Einschränkung: »Die deutsche Weihnachtsmusik gibt es in Nordmazedonien nicht, die finde ich besonders schön!«
— Kai Regener