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„Es werde Licht!“

So spricht Gott ganz zu Beginn des Ersten Testaments in der Bibel. Und damit wird schnell klar, wie groß der Stellenwert des Lichts allein in zwei großen Weltreligionen ist, wenn es das Erste ist, was Gott entstehen lässt. Erst danach kommt das Leben in Form von Pflanzen, Tieren und Menschen. Wer heute ohne Licht lebt, bekommt zu wenig Vitamin D und leidet ggf. unter körperlichen Mangelerscheinungen. Allein dafür ist es schon so wichtig. Licht symbolisiert aber auch die Nähe zu Gott, (damit einhergehendes) Wissen und Weisheit, Wohlstand und Sicherheit. In den großen Religionen ist es oft die Heilige Schrift, manchmal auch in Kombination mit religiösen Riten, die als Zugang zum Licht Gottes gedeutet werden. Licht ist heilsam für die Seele. Es spendet Wärme und Hoffnung. Wer oft in christlichen Kirchen unterwegs ist, kennt daher die Vielzahl der verschiedenen Lichtquellen. Apostelleuchter, ewiges Licht, Osterkerzen, Altarkerzen, Opferkerzen, Grablichter – Kirchen und auch Friedhöfe sind voll davon. Denn Licht bedeutet Leben und Hoffnung. Ohne Licht kein Leben, keine Auferstehung, keine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Wie sehr wir Licht wirklich benötigen, wird gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit und den Wintermonaten noch sichtbarer, auch im Alltag derjenigen, die vielleicht gar nicht mehr in die Kirche gehen. Denn die Dunkelheit schlägt auf das Wohlbefinden. Wie wohltuend sind dann im Dezember die vielen Lichter in den Straßen, die Kerzen auf dem Adventskranz und in den Fenstern, die es in den Wohnungen und Herzen etwas heimeliger werden lassen.

Im Johannesevangelium ist von Jesus folgender Satz überliefert: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Das Christentum ohne Licht und Kerzen, die an diese Hoffnung auf das Licht des Lebens und des Friedens erinnern – undenkbar!

Im Judentum wird im Dezember Chanukka, das Lichterfest gefeiert. Acht Tage lang wird weltweit an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem erinnert. Die Feier des Lichterfestes findet heutzutage teilweise in den Gemeinden, teilweise im Familienkreis statt. Dazu wird auf der Chanukkia, dem achtarmigen Chanukkaleuchter, jeden Abend eine weitere Kerze entzündet, bis am letzten Abend alle Kerzen brennen.

Im Islam wird oftmals im Rahmen eines Lichterfests dem Geburtstag des Propheten Mohammed gedacht. Zu Mevlid Kandili werden deshalb in einigen Regionen viele Kerzen und Lampen in Moscheen entzündet. In mystisch geprägten Strömungen des Islams kommt Licht und Finsternis als Dualismus eine große Bedeutung zu. Beides kommt zu gleichen Teilen in der Welt und jedem Menschen vor. Laut dieser Auslegungen liegt es in der Verantwortung des Menschen, das Licht des Glaubens nicht verdunkeln zu lassen, sondern über die Finsternis in der Welt auszubreiten.

In Buddhismus und Hinduismus gibt es ebenfalls Lichterfeste. Buddhistische Nonnen und Mönche feiern Pavarana (oder Wap) zum Ende der dreimonatigen Regenzeit. Während dieser Zeit verzichten sie auf Wanderungen, um die Natur zu schonen und Leben gedeihen zu lassen. Konsequenz dieses Verzichts ist ein Leben in Abgeschiedenheit. An Pavarana werden für einen Tag alle Ordensregeln aufgehoben, Mönche und Nonnen laden sich gegenseitig ein und feiern miteinander. Das buddhistische Volk beschenkt die Ordensmenschen in einigen Gegenden mit neuen Gewändern und ande­ren praktischen Dingen als Dankeschön für das Durchhalten bei Meditation und Gebet. Bei vielen Buddhist*innen werden außerdem die Häuser und Tempel mit Lichtern geschmückt. Außerdem werden von ihnen brennende Schwimmkerzen auf dem Fluss ausgesetzt als Symbol dafür, dass alle Menschen, die dem Buddhismus folgen, über den Fluss der Unwissenheit zum Land der Wahrheit getragen werden.

Im hinduistisch geprägten Indien wird ebenfalls zum Ende der Regenzeit das Lichterfest Diwali gefeiert. Gewidmet ist das fünftägige Fest der Göttin Lakshmi, die für Glück und Fülle steht, wie auch dem Sieg des Guten über das Böse. Überall werden kleine Öllämpchen entzündet, die in Fenstern und Hausvorsprüngen ihren Platz finden oder ebenfalls auf Flüssen ausgesetzt werden, sodass ein Lichtermeer (=Diwali) entsteht.

Es scheint also – ganz egal in welche Religion wir schauen – am Licht kommen wir nicht vorbei. Licht ist essentiell für das Leben auf dieser Erde, dies spiegelt sich auch in den Religionen wieder. In einigen ist es vielleicht bedeutenderer Bestandteil als in anderen, aber Licht wird spätestens bei den Feierlichkeiten religiöser Anlässe und Feste zum Gestaltungselement.

Und Gott sprach: „Es werde Licht. Und es wurde Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war.“ Gen 1,3

— Anna Andrick

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