Schwerpunkt

Das System Werkstätten

Ausgegrenzt & abgestellt

Warum Werkstätten nichts mit Inklusion zu tun haben und echter Teilhabe im Weg stehen.

Mitte 2021 haben Sophie und ich uns gefragt, wie wir unseren Druck mehrwertiger gestalten können – dabei lag unser Fokus auf Nachhaltig­keit und Teilhabe. Wir waren versucht, mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu kooperieren. Beim Diözesanausschuss-Treffen im Herbst 2021 habe ich davon berichtet. Daraufhin bin ich mit Caro Schmidt (Regionalleitung Rhein-Sieg) in einen Austausch gekommen:

Caro: Ina, lass uns noch einmal darüber ins Gespräch kommen, ob wir mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zusammenarbeiten wollen. Ich verstehe Euer Anliegen und die Motivation dahinter – es gibt aber viel berechtigte Kritik seitens Angestellter.

Ina: Danke Dir für Deine Rückmeldung, das ist total wichtig für uns. Kannst Du vielleicht einmal umreißen, worum es da geht?

Caro: Vor kurzem wurde eine Petition unter dem Namen »#StelltUnsEin« gestartet. Dort wurde deutlich, für welche Hunger­löhne die Menschen arbeiten – um Lukas Krämer, den Initiator der Petition, zu zitieren:

»Ich habe 6,5 Stunden am Tag in einer Werkstatt gearbeitet. Diese Werkstatt macht in Deutschland acht Milliarden Umsatz im Jahr. Dennoch zahlt man mir und meinen Kolleg*innen für unsere Arbeit nur 1,35 € die Stunde. Es ist für niemanden möglich, davon zu leben, weswegen wir dann auch Grund­sicherung vom Staat brauchen. Das kann man mit uns machen, weil wir eine Behinderung haben.«

Sie fordern in der Petition den Mindestlohn für Menschen in Behindertenwerkstätten – den sie bisher nicht bekommen.

Ina: Krass, Danke für den Input! Das hört sich nicht nach ganzheitlicher Teilhabe an.

Caro: Das stimmt. Das ist eben auch mein Eindruck – was dort passiert, passt nicht mit unserer Haltung und Überzeugung zusammen. Werkstätten werden an sich für etwas Gutes gehalten, ihre Strukturen leider wenig hinterfragt. Problematisch finde ich auch, dass Anleiter*innen oder Geschäftsführer*innen häufig Menschen ohne Behinderung sind – dadurch entsteht ein klares Machtgefälle zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Stark ausgrenzend ist für mich die Bezeichnung der Arbeiter*innen in den Werkstätten. Sie sind keine Arbeitnehmer*innen, sondern Beschäftigte. Dadurch haben sie im Bezug aufs Arbeitsrecht auch Einschränkungen. Sie dürfen z. B. nicht streiken.


Auf Basis dieses Gesprächs haben Sophie und ich uns mit der Petition und den dort beschriebenen Bedingungen beschäftigt – und haben uns schlussendlich für eine andere Druckerei entschieden.

— Ina Neumann

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