SchwerpunktVorgestellt

Über den Wolken

Die Freiheit auf Reisen

Wir machen eine kleine Zeitreise. Es ist Juli 2017. Ich bin fast 19 Jahre alt und habe gerade mein Abi in der Tasche. Ein paar Tage später steht die wohl bisher größte Reise meines Lebens an.


Ich habe fest entschlossen, ein Auslandsjahr zu machen. Am 5. Juli geht es deshalb nach Kanada. Dort will ich ein Jahr als Au Pair in einer Familie leben und mich um die vier Kinder der Familie kümmern.

Ich erhoffe mir, eine Pause nehmen zu können. Eine Pause von der Schule und dem Alltag. Um mich dabei persönlich ­weiterzuentwickeln, etwas Neues zu entdecken, meinen Horizont zu erweitern und ganz nebenbei meine Sprachkenntnisse zu verbessern und zu entdecken, was ich denn wirklich für meine Zukunft möchte. Ganz schön viel, was ich mir vornehme, aber immerhin werde ich auch ein ganzes Jahr lang weg sein.

Ich begebe mich allein auf diese Reise. Neben der großen Vorfreude schwingt auch Angst mit. Was ich zu Beginn der Reise nicht wusste: Sie wird ein Mix aus Grenzerfahr­ungen und einem Gefühl von Freiheit sein.

Wenn ich jetzt auf die Zeit zurückblicke, denke ich vor allem auch daran, dass ich zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben wirklich frei war – doch auch immer wieder Grenzen dieser Freiheit erfahren habe.

Vorher wurden mir die Grenzen von meinen Eltern, Lehrkräften oder allgemein von meinem Umfeld aufgezeigt und ich befand mich immer in einem Spielfeld, bei dem der Rand nicht übertreten werden durfte. Von nun an war ich selbst dafür verantwortlich, mir Grenzen selbst zu setzen und dabei die Freiheit für mich zu entdecken.

In meiner Gastfamilie gab es keine besonderen Regeln, an die ich mich halten musste. Meine eigenen Grenzen konnte ich auch in der Arbeit mit den Kindern austesten, jedoch noch mehr in der freien Zeit, die ich am Wochenende hatte oder wenn die Kinder in der Schule waren. In Kanada ist allerdings in vielen Fällen alles sehr weit voneinander entfernt und man findet abseits der Städte oft nur unberührte Natur. So musste ich mir Zeit nehmen und benötigte oft ein ganzes Wochenende, um wirklich Neues entdecken zu können.

In der Freizeit erkundete ich neue Städte, Nationalparks und vieles mehr in Kanada und den USA. Dabei erlebte ich das Gefühl von Freiheit und konnte es in vollen Zügen genießen. Meine Verpflichtungen als Au Pair zogen mich immer wieder zurück in einen geregelten Alltag und manchmal fühlten sich meine Ausflüge an den Wochenenden wie Mini-Urlaube an – als hätte ich in der letzten Nacht nur davon geträumt. Ganz besonders spürte ich die Freiheit, wenn ich neue Dinge ausprobierte wie das Skifahren, kulinarische Besonderheiten austestete, mit Kängurus mitten in Kanada kuschelte oder als ich auf einem riesigen, zugefrorenen See im Nationalpark Banff stand.

Von den Reisen bleiben die kleinen Mitbringsel, Eintrittskarten, Fotos und die schönen Erinner­ungen an Momente, die meine Reisen prägten. Für jeden einzelnen Moment bin ich unglaublich dankbar – auch wenn nicht alle positiv und glücklich waren, gehörten sie dazu, um meine Grenzen kennenlernen zu können und Freiheit zu spüren.

Mittlerweile weiß ich, dass ich nicht so weit oder lange weg sein muss, um diese Freiheit zu spüren oder meine eigenen Grenzen austesten zu können. Es reicht der Tagesausflug in eine neue Stadt, der Spaziergang um einen See oder das Durchforsten meiner Fotos, um mich zurück in die vergangenen Reisen zu träumen.

— Maike Gilges

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Stalking

Unheimliche Schatten Briefe, Anrufe, Nachrichten per Messenger. Schritte, Blicke und das Gefühl, nicht allein zu ...

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